Cîme de la Bonette

Seiser Alm mit Nachschlag

Die Auffahrt zur Seiser Alm verwöhnt uns mit grandiosen Blicken auf Schlern und Rosszähne (Foto: Sascha Resch).

Sascha
Die Dolomiten vom Feinsten!

Seiser Alm mit Nachschlag:

  • Brixen/Bressanone - Brixen/Bressanone
  • 117 km · 2700 hm · Hochalpin

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Die Seiser Alm ist nicht nur die größte zusammenhängende Almfläche der Alpen. Sie ist auch eine der bekanntesten Regionen in den Dolomiten und weit darüber hinaus. Das äußert sich natürlich in Touristenströmen und – das eigentliche Problem – unbeschreiblichem Individualverkehr. Zum Glück ist die Straße hinauf zur Seiser Alm für den öffentlichen Verkehr tagsüber gesperrt. Und auch bis zur Mautstraße finden sich lohnende Alternative zu den ‚traditionellen‘ und oft verstopften Zufahrtswegen. So stand einer Befahrung nichts im Wege und am Ende hatten wir sogar noch Zeit und Nerven für einen ‚Nachschlag‘ am Monte Pana.

Wir starten recht früh in der berühmten Bischofsstadt Brixen, in Italien als Bressanone bekannt. Dort am Bahnhof hält nicht nur der internationale Zugverkehr, sondern wir können bei Südtirol Rad Brixen hervorragende Rennräder mit top Service leihen. Tipp: Gerade im Sommer sollte man das Rad unbedingt im Voraus reservieren! Vom Bahnhof aus orientieren wir uns in Richtung Süden sowie zum Eisack-Radweg. Dieser ist durchgehend asphaltiert, bis auf wenige Ausnahmen sogar im hervorragenden Zustand. Auf leicht abfallender Strecke rauschen wir schnell nach Klausen/Chiusa, wo wir kurz durch die Innenstadt müssen und ein wenig ausgebremst werden. Das ist aber kein Problem, denn die restliche Strecke fahren wir bei immer über 30 km/h entspannt dahin – dem leichten Gefälle sei Dank!

Gleich zu Beginn des Anstiegs zur Seiser Alm erwarten uns überwältigende Panoramen (Foto: Sascha Resch).
Gleich zu Beginn des Anstiegs zur Seiser Alm erwarten uns überwältigende Panoramen (Foto: Sascha Resch).

In kürzester Zeit sind wir bereits in Waidbruck/Ponte Gardena, wo wir theoretisch auf die Landstraße 24 wechseln könnten, die directement nach Kastelruth/Castelrotto und Seis/Siusi führt. Wir wollen diese Strecke aber meiden, denn hier kommen drei ungute Dinge zusammen. Zum einen ist die Straße oft stark befahren. Zum anderen müssten wir durch einen beleuchteten, aber 500 Meter langen Tunnel. Hinzu kommt, dass die Straße sich über eine lange Strecke auf 14 % aufbäumt. Gerade die Passage durch den Tunnel befindet sich dabei im steilen Bereich. Für uns ist klar: Diese Straße ist nicht wirklich geeignet.

Deswegen entscheiden wir uns für eine Alternative, die sich als herrlich herausstellen soll. Wir bleiben auf dem Eisack-Radweg und rasen bis nach Atzwang/Campodazzo. Dort queren wir die Eisack linker Hand und stoßen leicht rechts auf ein steiles Sträßchen. Keine Sorge, das Sackgassenschild und der Hinweis „Durchfahrt verboten“ sind für den Durchgangsverkehr relevant. Mit dem Fahrrad gibt es keine Probleme. Dafür wartet auf uns ein bocksteiler Anstieg: Deutlich zweistellige Steigungsprozente werden hier serviert. Zum Glück liegt die Straße im Schatten, trotzdem hämmert der Puls unvermittelt in den Schläfen. Bald verlassen wir den Wald und auch das Dröhnen der Autobahn wird leiser. Die Steigung wird etwas gnädiger, fordernd bleibt es dennoch. Vor allem die Südtiroler Sonne kann hier ordentlich zusetzen, regelmäßiges Trinken ist Pflicht!

Auf herrlich einsamen, schmalen Straßen kurbeln wir uns den Hang empor. Obwohl die Straßen klein sind, ist der Belag in sehr gutem Zustand. Wir fahren an mehreren Höfen vorbei, während uns gerade einmal drei Autos begegnen. So muss es sein! Es ist zwar brüllend heiß, trotzdem genießen wir den Anstieg. Schneller als gedacht erreichen wir St. Anton, wo wir auf die ‚traditionelle‘ Südauffahrt ab Blumau zur Seiser Alm treffen. Im Gegensatz zur Nordauffahrt über die LS24 ist diese Straße etwas breiter. Außerdem ist die Strecke ab St. Anton fast flach, sodass wir uns nur mit dem Verkehr auseinandersetzen müssen, ohne steile Rampen und ohne Tunnel.

Bald erreichen wir die Ortschaft Seis, von wo aus auch Seilbahnen zur Seiser Alm hinaufführen – für einen stolzen Preis von 26 Euro (Stand August 2024). Uns interessiert aber der Preis nicht, denn wir fahren natürlich selbst hinauf. Dazu müssen wir einmal durch den Ort hindurchfahren. Am anderen Ortsende folgen wir einfach rechter Hand den Hinweisschildern zur Seiser Alm. Es geht in praller Sonne direkt bergauf. Und unvermittelt stockt uns der Atem. Dafür sorgt aber nicht die Steigung bei angenehmen 8-9 %. Es ist der Anblick des Schlern, der uns sprachlos macht. Dieses Panorama wird uns zum Glück noch eine Weile begleiten.

Während sich im unteren Teil der Strecke zahlreiche Ferienhäuser befinden, die auf freier Straße erreichbar sind, folgt bald ein Kreisverkehr. Dieser markiert den Beginn der Mautstrecke, die von 9-17 Uhr für den öffentlichen Verkehr gesperrt ist, Fahrräder ausdrücklich ausgenommen! So genießen wir den Restanstieg bis auf wenige Ausnahmen quasi autofrei. Dafür ist die Steigung fordernd! Und auch die Temperaturen sind ordentlich. Trotzdem macht die Straße zur Seiser Alm einfach nur gute Laune! Spätestens, als sich die Bäume zurücklegen und der Blick auf das Alm-Plateau frei wird, gibt es die landschaftliche Entlohnung!

Am zentralen Ort des Plateaus, in Compatsch/Compaccio, gönnen wir uns eine kleine Pause. Wir suchen uns ein Plätzchen etwas abseits der Straße, um den Heerscharen an Touristen auszuweichen. Stattdessen wollen wir den Blick auf Schlern und Rosszähne für ein paar Minuten genießen. Tipp vor der Weiterfahrt: Man sollte auf jeden Fall durch Compatsch fahren und ein paar Meter jenseits des Hauptortes dahinrollen. Man wird mit sagenhafter Stille und sattgrünen Auen belohnt!

Vorsicht bei der Abfahrt vom Panider Sattel, die Aussicht kann schnell ablenken (Foto: Sascha Resch).
Vorsicht bei der Abfahrt vom Panider Sattel, die Aussicht kann schnell ablenken (Foto: Sascha Resch).

Schließlich fahren wir wieder los, denn wir wollen heute noch ins Grödnertal. Dazu fahren wir wieder nach Seis ab und direkt nach Kastelruth. Auch dort geht es zu wie im Taubenschlag! Deshalb fahren wir gleich weiter und orientieren uns rechter Hand. Unser Ziel ist der Panider Sattel, der uns auf ruhiger Strecke ins Grödnertal wechseln lässt. Dafür müssen wir aber erst einmal ordentlich quetschen: Direkt hinter Kastelruth wartet eine giftig steile Rampe jenseits der 10 % auf uns! Danach geht es zum Glück weniger dramatisch zu. Trotzdem ist es alles andere als leicht, denn auch hier werden wir von der Sonne, mittlerweile etwas über dem Zenit, gegrillt. So ist es äußerst anstrengend und wir erreichen durchgeschwitzt und schon etwas müde den Panider Sattel.

Hier gönnen wir uns nur ein Beweisfoto und einen kurzen Schluck aus dem Bidon. Die Auffahrt ist zwar sehr schön und vor allem ruhig. Doch der Pass selbst bietet nicht viel Aussicht. Dafür werden wir aber in der Abfahrt nach St. Ulrich/Ortisei entschädigt! Hier tun sich schließlich unvergleichliche Blick auf die Dolomiten auf! Man muss bei der Abfahrt regelrecht aufpassen, dass man die Straße nicht aus dem Blick verliert. Viel zu schnell sind wir in St. Ulrich, dem Hauptort des Grödnertals und unvermittelt werden wir mit zahllosen Autos konfrontiert! Das Grödnertal ist zur Ferienzeit nichts für schwache Nerven! Zum Glück gibt es mittlerweile ab dem östlichen Ortsausgang von St. Ulrich einen Radweg, der abseits der Hauptstraße nach St. Christina führt.

Die Aussicht am Hochpunkt belohnt uns für die Schinderei am Monte Pana (Foto: Sascha Resch).
Die Aussicht am Hochpunkt belohnt uns für die Schinderei am Monte Pana (Foto: Sascha Resch).

In St. Christina fahren wir bis zum zentralen Kreisverkehr und sehen schon die Schilder, die uns rechter Hand zum Monte Pana lotsen. Hier war der Giro d’Italia 2024 auf einer Dolomiten-Etappe mit Bergankunft, auch von Seis und Panider Sattel kommend. Wir fahren also rechts und nur wenige Meter später bäumt sich die Straße schlagartig auf. 12-15 % warten hier auf uns und so viel sei gesagt: Es wird bis zum Ende nicht leichter. Mit anderen Worten heißt das, dass uns fast 3 Kilometer Schwerstarbeit bevorstehen! Nach den bisherigen Höhen- und Kilometern alles andere als eine einfache Aufgabe. Wirt quetschen uns wenig elegant, aber doch beständig gen Himmel. Am Ende erreichen wir den Hochpunkt des Monte Pana, ohne abzusteigen. Mit hämmerndem Puls besorgen wir uns ein Wasser im Hotel-Restaurant am Ende der Auffahrt. Wir genießen noch die Aussicht und erinnern uns: Der Giro d’Italia findet immer wieder neue Strecken zum Schinden.

Jetzt heißt es, nochmals die Bremsen zu checken, denn das Gefälle bergab ist enorm. Trotzdem erreichen wir St. Christina in kürzester Zeit und fahren wieder in Richtung St. Ulrich. Theoretisch könnten wir noch zur Sella hinaufklettern. Doch nach dem Monte Pana haben wir für heute genug, außerdem sind für den Abend Hitzegewitter angedroht. So geht es wieder zurück und bergab können wir auch die Hauptstraße gut verkraften, da wir fast genauso schnell wie die Autos sind. Trotzdem zweigen wir vor St. Ulrich rechter Hand ab und fahren einmal quer durch den Ort. So sind wir zwar deutlich langsamer unterwegs, dennoch lohnt es sich!

Abkühlung: An der Eisack in Brixen weht auch im Hochsommer ein angenehm kühles Lüftchen (Foto: Sascha Resch).
Abkühlung: An der Eisack in Brixen weht auch im Hochsommer ein angenehm kühles Lüftchen (Foto: Sascha Resch).

Hinter St. Ulrich bleibt uns nur noch die SS242, der wir talwärts folgen. Hier ist ganz schön was los und wir sind heilfroh, als wir rechts auf die SS242bis einschwenken können. Im Vergleich zur SS242 ist es hier geradezu ruhig. Außerdem macht die Fahrt einfach nur gute Laune: Wir rollen bergab geschmeidig dahin und leichte Kurven sorgen für ständige Abwechslung. Obwohl wir bergab fahren, zieht sich die Strecke – Gnade denjenigen, die sich hier bergauf quälen. Unterdessen wird es immer wärmer und wir fangen an, sogar bergab zu schwitzen. Im Eisacktal empfängt uns schließlich eine Bullenhitze von über 35 Grad.

Bei Klausen schließlich müssen wir aufpassen: Hier geht es fast schon in einer 360-Grad-Kurve links auf einer kleinen Straße weiter in den Ort. Vorsicht beim Abbiegen! Wir sind immer noch auf einer Strada Statale unterwegs. Bei unserer Fahrt gab es kaum Verkehr, doch man sollte damit rechnen, hier rechts ranzufahren und per pedes die Straße zu queren. In Klausen selbst fahren wir unter der Bahnlinie durch und stoßen so wieder auf den Eisack-Radweg. Den kennen wir schon und das ist gut: Wir sind müde und es ist so heiß, dass man keinen klaren Gedanken mehr fassen kann.

Mit den letzten Tropfen aus unseren Bidons kommen wir schließlich in Brixen an. Dort können wir es kaum erwarten, uns zu duschen. Und danach gibt es noch einen kleinen Spaziergang zur (meist kalten) Eisack, an der wir uns ein schattiges ‚Bankerl‘ suchen, um wieder einen kühlen Kopf zu bekommen. Der Ritt zur Seiser Alm war hart, manchmal war der Verkehr nervig. Trotzdem sind wir uns einig: Diese Tour ist ein absolutes Muss für alle, die die Dolomiten bereits lieben oder kennenlernen wollen!

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