München 300:
- München-Moosach - München-Moosach
- 300 km · 2200 hm · wellig
Im Laufe der Zeit bin ich schon mehrmals über 200 Kilometer gefahren, unter anderem von München direkt zum Spitzingsee. Eine für mich „klassische“ Fahrt ist auch die Runde um die Großstadt München. Das erste Mal war es ein Bogen von 220 Kilometern, das zweite Mal schon 260 Kilometer und jetzt sollten es endlich die lang ersehnten 300 Kilometer werden.
Der Vorteil des Rundkurses um München: Ich bin nie allzu weit weg von zu Hause. Klingt seltsam, ist aber extrem praktisch und gibt psychologische Sicherheit. Denn die nächste S-Bahnstation ist selten weiter als 30 Kilometer entfernt, das gibt innere Ruhe, sollte es wider Erwarten ernsthafte Schwierigkeiten geben.
An Probleme denkt man aber am Morgen eines 300ers nicht allzu viel. Dafür ist es viel zu früh: Um kurz vor 4 aufstehen und waschen, gegen 4.20 Uhr dann ein kräftiges Frühstück mit Semmeln, Obst und Müsli, Kaffee darf um diese Uhrzeit auf keinen Fall fehlen.
Danach Radklamotten an und alles überprüfen, vor allem die Verpflegung, denn auf dieser Runde muss ich regelmäßig Kalorien zuführen. So sind in meinem Rucksack unzählige WASA-Sandwiches, Müsli-Riegel, drei Bananen und einige Vollkornsemmeln. Man weiß ja nie, wo man bequem und vor allem rennradtauglich „shoppen“ gehen kann. Lieber schleppen als später 200 Kilometer im Unterzucker zu fahren.
Um kurz nach 5 Uhr geht es los. Es wird langsam hell, doch es ist dicht bewölkt. Positiv denken: Die Bewölkung hat dafür gesorgt, dass die Temperaturen im angenehmen Bereich um 20 Grad liegen. Ich genieße die frische Luft, die Ruhe und pedaliere locker, damit der Magen etwas verdauen kann. So geht es langsam raus aus der Stadt und nach Feldgeding.
Nach 20 Kilometern das erste WASA-Sandwich. Der Magen ist zwar noch rappelvoll vom Frühstück, aber es hilft nichts. Alle 20 Kilometer ein WASA, alle 40 ein WASA und ein Müsliriegel, bei 80 dann Banane und Semmel. So zumindest der theoretische Plan. Ich kenne mich selbst und weiß, dass ich den Plan niemals einhalten werde, aber zumindest am Anfang mampfe ich brav und fleißig.
Wieder im Sattel, die Wolken sind immer noch dicht, obwohl schönes Wetter angesagt wurde. Bloß kein Regen, 260 Kilometer unter der Dusche halte ich echt nicht aus. Ich rede mir positiv zu und fahre durch kleine Ortschaften, tendenziell in Richtung Mammendorf, der ersten „S-Bahn-Marke“. In Mammendorf wird der Verkehr etwas reger, 7:30 Uhr, das heißt Schüler sind unterwegs. Trotzdem ist es hier weit weg von der Großstadt angenehm ruhig.
Weiter geht es nach Landsberied, Schöngeising und nach Herrsching. Hier mache ich um 9 Uhr eine „längere“ Pause. Also nicht nur kurz WASA oder Riegel reinschieben und schnell auf Toilette, sondern knapp 10 Minuten Ruhe auf einem „Bankerl“. Natürlich esse ich wieder, aber ebenso stehen ein paar Dehnübungen auf dem Pausenprogramm.
Nach Herrsching geht es ordentlich bergauf, über Frieding nach Andechs. Unter der Woche um diese Uhrzeit ist es sogar bei Andechs herrlich unaufgeregt, dort, wo sonst Touristenströme vom Parkplatz zum Biergarten pilgern.
Von Andechs in Richtung Gauting, dort dann durch das Mühltal nach Leutstetten. Hier erwartet mich dann eine unangenehme Passage, denn ich will die verkehrsarme Variante nach Wangen wählen. Diese Strecke ist zwar ruhig, aber auch in einem elenden Zustand. Es ist schon etwas peinlich, dass ein reicher Landkreis wie Starnberg solche Straßen sein Eigen nennt. Etwas mehr Selbstachtung könnte man schon erwarten.
Was soll’s. Nächste Station Schäftlarn. Ich sause die Kehren hinab und lasse das Kloster links liegen, ist ja alles bekannt. Lieber weiter zur Aumühle und über Puppling nach Wolfratshausen. Dort gönne ich mir nämlich am Bahnhof meine wohlverdiente Mittagspause. Wasser nachtanken am Kiosk unweit des Bahnhofs und dann wieder verschnaufen auf einem „Bankerl“. Inzwischen ist es schön sonnig und heiß geworden, was ich an meiner Banane merke. Sie befindet sich gerade auf dem Weg von fest nach flüssig, also höchste Zeit sie zu vertilgen.
In Wolfratshausen lasse ich es ruhig angehen, es ist ja erst 11:30, ich bin eine ganze Stunde schneller als geplant. Hoffentlich rächt sich das nicht am Ende…. Ich beobachte in aller Ruhe das geschäftige Treiben am Bahnhof und lasse mir die Sonne aufs Hirn scheinen – herrlich.
Irgendwann ist jede Pause vorbei und weiter geht es über Gelting Richtung Schwaigwall. Hier tut sich vor mir ein unvergleichliches Panorama auf: Die Berge scheinen schon zum Greifen nah und die Gipfel glitzern im Sonnenlicht. Die Tour macht mir immer mehr Spaß, das hätte ich nicht gedacht.
Doch der erste Fehler lässt nicht auf sich warten. Kurz vor Schwaigwall drückt die Blase und ich entscheide mich an einem Waldstück anzuhalten, muss ja nicht so öffentlich sein. Das ist ein Fehler, denn zu spät entdecke ich die Wolke aus Mücken…. Zum Glück habe ich Mückensalbe zu Hause.
Wieder in den Sattel, durch Geretsried und über die Isar. Jetzt wartet nochmals ein heftiger Anstieg auf mich hinauf nach Peretshofen. Knappe 13%, das tut bei so einer langen Tour doppelt weh. Trotzdem macht das Klettern irgendwie Spaß und der Anstieg ist schneller erledigt als gedacht.
Die nächste S-Bahnstation ist Otterfing, doch ich halte mich nicht lange auf, denn hier gibt es nichts Schönes zu sehen. Lieber weiter durch den südlichen Teil des Hofoldinger Forsts zur Kreuzstraße. Dort dann wieder eine „Mittagspause“, also etwas länger die Beine ausschütteln und ein bisschen mehr essen. Hier ist es topfeben – hat auch seinen Reiz, ist jedoch nicht so ganz mein Geschmack.
So geht es erneut weiter nach Glonn, wo es langsam wieder hügeliger wird. Kurz vor Grafing ereilen mich dann starke Krämpfe in den Beinen, die Muskeln wollen dicht machen. Das ist umso ärgerlicher, weil die harten Muskeln in Oberschenkel und Wade auch für nervige Knieschmerzen sorgen.
Umso glücklicher bin ich, als ich den Grafinger Bahnhof erreiche. Dort tanke ich wieder Wasser und nutze meine Reserve-Magnesium-Tablette. Wer einen 300er fährt, schleppt tatsächlich alles mit. Die Krämpfe lassen etwas nach und ich fahre nach Ebersberg. Ich war zuvor noch nie dort, doch jetzt weiß ich, wieso es EbersBERG heißt. Zumindest kommen mir auch kurze Anstiege nach mehr als 200 Kilometern sehr bergig vor.
Doch es wird noch besser. Nach Ebersberg folgt eine unvergleichliche Willensprüfung: Der Ebersberger Forst. Hier geht es gute 10 Kilometer immer geradeaus, ohne jede Abwechslung durch den Wald. Das ist ohnehin schon lästig, doch mit krampfenden Beinen und einem Hintern, der um Gnade schreit wird die Strecke noch länger. Ich rette mich von Straßenmarkierung zu Straßenmarkierung, gehe immer wieder aus dem Sattel, setze mich, gehe aus dem Sattel.
Ich bin heilfroh, als ich Markt Schwaben erreiche. An der erstbesten Bushaltestelle mache ich etwas Pause und esse. Langsam aber sicher geht mir die Fahrerei auf den Wecker, alles tut weh. Aber es ist nicht mehr weit, so knappe 70 Kilometer. Oder 80? Wer zählt schon so genau. In jedem Fall geht es weiter.
Nächstes Ziel ist Finsing. Auch hier wieder eine Willensprüfung, das Finsinger Moos. Doch zum Glück kenne ich die Strecke zur Brennermühle und nach Zengermoos, so ist das Ganze erträglicher. Langsam merkt man, dass es später Nachmittag wird, die Luft bekommt so einen leicht dunkelgelben Farbton, herrlich anzusehen.
In Hallbergmoos wieder WASA-Pause. Die Dinger hängen mir langsam zum Halse raus. Alles nervt. Und das Schlimmste: Ich habe schon so viele WASA gegessen, dass mein Gaumen leicht wund ist von dem harten Brot. Wieder dehnen, tief durchatmen, weiter geht’s.
Jetzt noch Pulling, dann Massenhausen, die Straßen hier kenne ich wie meine Westentasche. Das macht die Sache aber nicht leichter, die Kilometer werden nur langsam weniger. So geht es weiter Haimhausen, Ampermoching, schließlich Bachern. Dort dann um 19.30 Uhr die letzte Essenspause, ein Riegel muss noch rein.
Die letzten 20 Kilometer über Dachau rollen dann erschreckend leicht. Es tut zwar immer noch weh, aber nicht mehr so schlimm wie vor gut 30 Kilometern. Inzwischen denke ich eher: „Schade, gleich ist es vorbei“ Eigentlich sollte ich jetzt müde sein, doch ich bin eher fröhlich und spüre neue Kraft.
Trotzdem: Genug ist genug, jetzt geht es ab nach Hause, auch wenn eine kleine Zusatzrunde verführerisch wirkt. Vielleicht das nächste Mal. Zu Hause angekommen erst mal unter die Dusche und natürlich essen, damit die Regeneration nicht zu lange dauert.
Am Ende bin ich müde, aber auch ziemlich stolz, alles hat gepasst: Wetter, Form, Essen, Streckenplanung. Vielleicht gehen unter solchen Bedingungen auch 350 oder 400? Aber vorher brauche ich erst einige Passfahrten, so viel Flachlandradlerei ist ungesund ;)