Cîme de la Bonette

Die 10 Gebote des Kletterns – Teil 2

Solch steile Serpentinen tun den Oberschenkeln ordentlich weh

Im ersten Teil unserer „10 Gebote des Kletterns“ haben wir schon einige Tipps bereitgestellt, wie das Klettern nicht nur sportlich herausfordernd wird, sondern auch ein wahrer Genuss. Jetzt nun der zweite Teil mit den restlichen Geboten. Mithilfe aller zehn Tipps wird die nächste Passfahrt mit Sicherheit noch erfolgreicher verlaufen!

  1. Wechsle Phasen im Sitzen und Phasen im Wiegetritt regelmäßig ab.

    Ein Pass kann lang sein, sehr lang. In den Alpen ist es keine Seltenheit, zwei Stunden am Stück bergauf zu fahren. Dabei können wir keinen einzigen Tritt auslassen. Das bedeutet höchste Beanspruchung für die Muskeln und den gesamten Bewegungsapparat, entsprechend schnell kommt es zu Verkrampfungen und Überbelastung. Um einzelnen Muskelgruppen kurze Pausen zu gönnen, ist es wichtig, nicht nur im Sitzen zu fahren. Ab und an sollten wir aus dem Sattel gehen und etwas im Stehen fahren. Dabei verlagern wir einen Teil des Gewichts auf die Arme. Außerdem wird der Rücken gestreckt und etwas gedehnt, sodass wir Krämpfen vorbeugen können.

  2. Fahre eine Übersetzung, die sich zunächst zu leicht anfühlt.

    Wenn es bergauf geht, schalten wir instinktiv runter. Doch wie weit sollten wir runter schalten? Am besten ist es, wenn wir am Anfang das Gefühl haben, dass der Gang ein wenig zu leicht ist. So haben wir noch Spielraum, wenn es schwerer wird. Und es wird definitiv schwerer, denn die Muskeln ermüden mit der Zeit und der gleiche Gang, der uns am Fuß des Anstiegs als mädchenhaft erscheint, ist gerade noch so fahrbar, wenn wir uns dem Gipfel nähern.

  3. Tritt locker und rund. Pedaliere schnell, dafür mit weniger Kraft, auch wenn dein Puls dabei steigt und du tiefer atmen musst.

    Auch wir Alpenvettern machen diesen Fehler oft: Wir glauben, dass wir den dicken Gang schon treten können und quetschen uns dem Gipfel entgegen. Dabei schreien die Muskeln um Gnade, doch der Puls bleibt eher niedrig, auch die Atemfrequenz bleibt im unteren Bereich. Besser ist es, einen leichteren Gang zu fahren. Das wird sich zunächst „falsch“ und anstrengender anfühlen, denn durch die höhere Trittfrequenz geht der Puls nach oben und wir müssen tiefer und angestrengter atmen. Doch auf die Dauer ist ein Stil mit höherer Trittfrequenz ökonomischer als das berühmte „Quetschen“ mit Profiübersetzung. Zugegeben, es braucht etwas Training, damit sich der Körper an das hochfrequente Pedalieren gewöhnt. Außerdem dauert es ein wenig, bis wir die hohen Frequenzen rund treten können. Doch am Ende kommen wir lockerer und entspannter am Gipfel an.

  4. Vergiss deinen Radcomputer und andere Fahrer.

    Dieses Gebot ähnelt dem fünften Gebot, aber man kann es nicht oft genug erwähnen: Höre nur auf dich selbst. Überziehe nicht über Gebühr, denn der Weg bis zur Passhöhe ist länger als du denkst. Gerade Tacho und andere Fahrer verleiten jedoch dazu, schneller zu fahren, als wir eigentlich könnten. Weniger als 10 km/h sind was für Amateure? Von wegen. Nicht jeder Radfahrer ist gleich, nicht einmal jeder Tag ist gleich. Gestern gingen vielleicht 15 km/h am Pass, heute sind es nur 7 oder 8, weil wir schlecht geschlafen haben, das Frühstück elend war – es gibt hunderte Gründe. Am besten ist es, entspannt zu bleiben, wenn die Tachoanzeige einstellig wird oder wenn uns andere Fahrer überholen.

  5. Genieße die Aussicht und sei stolz auf dich selbst.

    Warum fahren wir in die Berge? Nur um wie die Maschinen ein anspruchsvolles Workout abzuspulen? Dann könnten wir auch zu Hause bleiben, uns auf die Rolle setzen und das Hinterrad mit einer Schraubzwinge feststellen. Wir wollen vielmehr in die Berge, um Natur zu erleben, vielleicht auch Kultur und Geschichte, wenn wir zum Beispiel in Italien auf den Spuren des Ersten Weltkriegs unterwegs sind. Vielleicht wollen wir auch etwas vom Mythos des Profi-Sports mitbekommen, wenn wir legendäre Pässe von Tour und Giro befahren und an manchen Stellen noch die Aufschriften der Fans auf dem Teer lesen können: „Allez, allez!“, „Forza!“. Dann können wir stolz sein, dass wir aus eigener Kraft die Berge bezwingen, genau wie die Profis. Dann können wir nur müde lächeln, wenn wir Auto- und Motorradfahrern am Pass begegnen. Wer mit dem Rad in den Bergen unterwegs ist, hat allen Grund, stolz zu sein!

 

 

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