Dolomiti 2019, Tag 3:
- Toblach - Toblach
- 87 km · 1580 hm · Hochalpin
Unsere Ausfahrt zu den Drei Zinnen am ersten Tag unserer Dolomiten-Reise hat uns gelehrt, dass es in den Bergen Orte gibt, die geradezu überlaufen werden. Der Stau auf der SS51 bereits am Vormittag war keine Freude, ebenso wie die Menschenmassen am Pragser Wildsee. Der Ausflug in die wilden Berge rund um die Sella di Ciampigotto am zweiten Tag hat uns dagegen gezeigt, dass wir lieber die Ruhe genießen und ohne Abgase pedalieren möchten. Somit war klar, dass für den dritten Tag ein weiterer Abstecher in ruhigere Gefilde auf dem Plan stehen sollte. Das Wetter bestärkte uns in diesem Vorhaben, denn für das Hochgebirge rund um Cortina waren Schauer und Gewitter angesagt. Deswegen haben wir uns kurzerhand entschieden von Toblach aus das Gsieser Tal und schließlich die Plätzwiesen in Angriff zu nehmen.
Wir starten also bei herrlichem Sonnenschein und frischen Temperaturen – in der Nacht sind einige Gewitterschauer heruntergekommen. Wir fahren zum Bahnhof und orientieren uns in Richtung des Radwegs nach Bruneck, den wir schon vom ersten Tag kennen, als wir zum Pragser Wildsee gefahren sind. Innerhalb kürzester Zeit sind wir an der Abzweigung der SP47 hinauf nach Prags angelangt. Jetzt lassen wir die Auffahrt jedoch fürs Erste links liegen und fahren weiter in Richtung Bruneck, bis wir das kleine Welsberg oder auf Italienisch Monguelfo erreicht haben. Der kleine Ort ist eine echte Augenweide und mit leicht mediterranem Flair lädt er zum Verweilen ein. Doch wir haben gerade erst mit dem Radfahren angefangen, eine Pause ist also noch lange nicht drin. Stattdessen fahren wir durch den Ort und gleich am Ortsausgang sehen wir eine leicht ansteigende Straße rechter Hand mit dem passenden Schild „Gsieser Tal/val di Casies“. Hier müssen wir also einbiegen.
Es geht direkt spürbar bergauf und wir werden heute ein erstes Mal sportlich gefordert. Vorbei geht es am Schloss Welsperg, das von er Straße aus gut sichtbar ist und dessen älteste Elemente auf das 12. Jahrhundert datiert werden. Die massiven Mauern und die Rechteckzinnen regen die Fantasie an, mit ein bisschen Vorstellungskraft kann man die Ritter in den Gemäuern hausen sehen. Kurz hinter der Burg flacht die Trasse merklich ab und wir haben genügend Zeit, uns von der ersten Anstrengung des Tages zu erholen. Während wir neue Energie schöpfen haben wir Zeit, über eine Besonderheit des Gsieser Tals zu sinnieren.
In nordöstlicher Richtung wird das Tal von einer Radonader durchzogen, sodass das Gas an einigen Stellen aus dem Boden strömen kann. Dabei sollte man wissen, dass Radon ein radioaktives Element ist. Während es von manchen als Heilmittel gepriesen wird, weist das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz darauf hin, dass Radon durchaus mit der Entstehung von Lungenkrebs in Verbindung zu bringen ist. Zum Glück sind wir nur kurze Zeit im Gieser Tal unterwegs und draußen droht ohnehin keine ernstzunehmende Gefahr. Problematisch wird Radon insbesondere, wenn es sich in Gebäuden ansammelt. Somit müssen wir uns keine Gedanken machen, ob Radon nun gesundheitsförderlich oder -schädlich ist, auch wenn wir in solchen Belangen lieber vorsichtig bleiben.
So erreichen wir recht bald den Ort St. Martin und ab hier zeiht die Steigung erneut spürbar an, es bleiben noch einige Höhenmeter bis zum (asphaltierten) Talschluss zu überwinden. Tatsächlich kommen wir ein bisschen ins Schwitzen und erreichen mit spürbarem Plus in den Schläfen den Kreisverkehr in St. Magdalena, der das Ende der Auffahrt markiert. Mit einem Mountainbike könnten wir noch deutlich weiter vorstoßen und uns evtl. sogar bis zum Gsieser Törl vorkämpfen. Wir nehmen stattdessen einen kräftigen Schluck aus dem Bidon und bleiben unseren Schmalpneus treu. Locker pedalierend rauschen wir das Tal hinunter und sind in kürzester Zeit in Welsberg/Monguelfo angelangt. Dort gönnen wir uns am Brunnen im Stadtzentrum eine kurze Pause und eine Stärkung in Form einer Banane. Gleichzeitig können wir eine Gedenktafel für Kaiser Franz Joseph I. am Brunnen bestaunen.
Gute zehn Minuten später sitzen wir schon wieder im Sattel in Richtung Toblach. Die Wolken hängen zwar recht dicht am Himmel, doch wir vertrauen auf unser Wetterglück und nehmen einen zweiten Anstieg noch in Angriff: die Plätzwiesen oder auf Italienisch Prato Piazza. Hierzu fahren wir bis zur Abzweigung der LP47 in Richtung Prags und folgen dieser bis zum Kreisverkehr. Hier waren wir schon am ersten Tag in Richtung Wildsee unterwegs, doch heute wählen wir die Ausfahrt, die ungefähr linker Hand in die Natur führt. Es geht gleich ordentlich bergan und nach wenigen Metern tauchen wir in eine waldige Umgebung ein. Immer tiefer stoßen wir in die Natur vor, es ist hier herrlich ruhig, die Straße ist nur wenig befahren. Dies dürfte auch daran liegen, dass die Strecke ab Brückele zwischen 10 und 15 Uhr für den motorisierten Verkehr gesperrt ist – eine echte Wohltat. Wir passieren die Schranke problemlos und freuen uns über ruhige Kilometer bergan in frischester Alpenluft.
Die Straße ist nun äußerst schmal und wir wollen uns gar nicht ausmalen, wie waghalsig eine Befahrung außerhalb der Sperrzeiten sein muss. Hier, im oberen Teil der Auffahrt, kommen wir endlich auch in den Genuss von Serpentinen, die für angenehme Abwechslung sorgen. Dazu kommt die Umgebung, die mit schroffen Felswänden und gleichzeitig sanfter Bewaldung für jeden Geschmack etwas zu bieten hat. Nach kurzer Zeit müssen wir schließlich kurz absteigen und ein paar Meter schieben. Wir werden ermahnt, dass die Berge ein durchaus gefährliches Terrain darstellen. Vor uns liegen gute hundert Meter, auf denen die Straße mit Geröll überzogen ist. Hier war 2017 nach einem heftigen Unwetter eine Mure abgegangen, man sieht immer noch deutlich die Spuren dieser Naturgewalt und kann erahnen, welch archaische Kräfte hier gewaltet haben. Und wir müssen ehrlich sein: Zwar sind Abgänge von Gestein im Gebirge normal. Doch durch den Klimawandel und immer häufigere Extremwetterereignisse kommt es immer häufiger zu gefährlichen Bewegungen im Gelände. Wir Menschen sind also alles andere als unschuldig.
Nach unserer Schiebepartie schwingen wir uns wieder in den Sattel und es geht unvermindert bergan in sehr fordernden Steigungsbereichen. So viel sei verraten: Leichter wird es nicht mehr, es wird eher noch anstrengender, denn kurz vor dem Ende der Auffahrt bäumt sich die Trasse mit fast 18 % auf. Hinzu kommt eine weitere Besonderheit der Straße zu den Plätzwiesen. Kurz vor dem Ende wartet eine Ampel auf uns, die den Verkehr wechselseitig den schmalen Weg passieren lässt. Diese Einbahnregelung sorgt zwar für Sicherheit, ist aber bergauf durchaus lästig. Wenn man eine Rotphase erwischt, muss man mitten in der steilen Rampe absteigen, das erneute Anfahren erfordert dann ein gehöriges Maß an Kraft. Doch auch diese Herausforderung lassen wir hinter uns und erreichen das Ende der asphaltierten Strecke zu den Plätzwiesen. Hier oben finden sich lediglich ein Parkplatz und eine Bushaltestelle. Zu den eigentlichen Plätzwiesen müsste man noch ein paar Meter auf Schotter zu Fuß zurücklegen. Doch auch hier am Ende der Asphaltstrecke kann man die weiter Wiesenwelt des Hochplateaus erkennen.
Hier gönnen wir uns eine weitere Pause und lassen uns die Sonne auf den Bauch scheinen. Das Wetter ist inzwischen besser als gedacht, doch in Richtung Cortina erkennen wir dichte Gewitterwolken. Wir haben also Glück und sind zufrieden mit unserer heutigen Streckenwahl. Um das Wetter nicht allzu sehr herauszufordern, fällt unsere Pause etwas kürzer als gewohnt aus. Wir passen eine Grünphase der Ampel ab und stürzen uns in die steile Abfahrt, in der man trotz Ampelregelung und Streckensperre für KFZ Vorsicht obwalten lassen sollte. Spätestens bei der Schotterpassage müssen wir ohnehin absteigen. Auch am Brückele heißt es nochmals, vorsichtig zu sein, denn hier, am Parkplatz sind einige Wanderer unterwegs. Danach können wir es aber beinahe ungebremst laufen lassen, denn die Strecke führt gut ausgebaut fast geradeaus bergab.
Viel zu schnell sind wir wieder in Prags angelangt und nur wenige Minuten später erreichen wir den Radweg nach Toblach. Eigentlich ist es schade, so früh ins Hotel zu fahren, doch für heute wollen wir es gut sein lassen. Immerhin steckt uns noch der lange Ritt zur Sella di Ciampigotto in den Beinen. Ein ruhiger Nachmittag in Toblach kann also nicht schaden. Und was gibt es denn Schöneres, als auf einem herrlichen Bankerl mit Blick auf den wundersamen Haunold zu sitzen und über die Dolomiten und ihre Schönheit zu sinnieren.