Nigerpass/Passo Nigra · 1774 m · Italien
Auffahrt von Blumau (alte Nigerstraße): 18,5 km · ø 7,5 % · max. 24 % · 1390 hm
Auffahrt von Blumau (neue Nigerstraße): 24,5 km · ø 5,6 % · max. 20 % · 1390 hm
Auffahrt von Einmündung Karerstraße: 4,5 km · ø 1,6 % · max. 4 % · 74 hm
Es gibt sicher leichtere und schwerere Pässe, die man als Radfahrer aufsuchen kann. Wer jedoch eine Herausforderung der besonderen Art sucht, der sollte sich am Nigerpass versuchen, genauer gesagt an der alten Nigerstraße, gehört diese doch zu den steilsten Passstraßen des Alpenraums.
Kein Wunder also, dass dieser Pass auch für uns Alpenvettern immer reizvoll war und nach einer Befahrung verlangte. Während unserer Transalp 2014 waren wir ohnehin in Südtirol, also warum nicht dieses „Monster“ besuchen?
Wir starten mit einer gewissen Portion Respekt und haben uns den Nigerpass für den Schluss unserer Transalp aufgehoben. Man kann ja nie wissen, welche körperlichen Auswirkungen so eine Fahrt im Grenzbereich verursacht. Am Anfang müssen wir jedoch den Anstieg erst einmal finden. Das ist im Straßengewirr des Bozener Umlands mit seinen vielen KFZ-Straßen gar nicht so leicht. Außerdem ist die alte Nigerstraße ein wenig versteckt und nicht gut ausgeschildert. Das macht auch Sinn, denn der Verkehr soll doch die neue Straße benutzen.
In Blumau entdecken wir dann doch eine kleine Straße, die in Richtung Tiers über Breien führen soll. Das ist also die Strecke, die wir gesucht haben. Nur eines verwundert uns: Ein „Durchfahrt verboten“-Schild und eine eindringliche Warnung vor „Caduta massi“, also vor Steinschlag. Seltsam. Wirt versuchen es trotzdem, denn wir wollen diese Straße unbedingt befahren.
Zunächst geht es noch locker dahin und wir erreichen eine Baustelle. Soll hier schon wieder Schluss sein? Wir stellen uns etwas naiv und versuchen, an den Bauarbeitern einfach vorbeizufahren. Seltsamerweise funktioniert das auch problemlos, nur ein leicht mitleidiger Blick von den Arbeitern, das ist alles.
Erleichtert setzen wir unseren Weg fort. Eingeschlossen in einer steilen Schlucht mit wilden und zerklüfteten Felswänden fahren wir immer noch recht locker dahin. Hier staut sich die Wärme in brutaler Weise, es ist erst 10 Uhr, aber schon elend schwül. Dafür genießen wir eine unvergleichliche Ruhe. Keine Menschenseele, nur das Zwitschern von Vögeln und das Rauschen des Tierser Bachs.
Plötzlich warnt uns ein Schild vor 20% Steigung. Jetzt geht es also los und wir stellen uns auf Schmerzen ein. Doch so schlimm wird es gar nicht, das erste Steilstück liegt noch im vertretbaren Bereich, die 20% scheinen etwas übertrieben.
Bald folgt jedoch ein Schild mit der Aufschrift „24%“. Ist das wieder übertrieben? Nein, diesmal leider nicht. Die Straße bäumt sich unvorstellbar auf, so etwas erlebt man nicht alle Tage! Die Beine fangen an zu brennen und wir wollen in einen leichteren Gang schalten, doch, o Schreck, wir fahren – oder besser kriechen – schon im leichtesten Gang dahin. Da bleibt uns nur eine Möglichkeit: Kreuzen. Das heißt die gesamte Straßenbreite ausnutzen und von einer Seite auf die andere fahren, umso die Steigung künstlich zu senken.
Ganze 1,5 Kilometer zieht sich diese Hölle und wir fahren tatsächlich die ganze Zeit im Stehen. Anders ginge das auch nicht, denn bei jedem Versuch, uns zu setzen, spüren wir wie das Vorderrad abheben will!
Schließlich – wir wissen nicht wie – haben wir es geschafft, dieses Stück zu bezwingen. Ohne abzusteigen! Wir gelangen jetzt zur großen neuen Nigerstraße, die deutlich leichter gewesen wäre. Mit hämmerndem Puls, der gegen die Schädeldecke drückt, rollen wir weiter, zum Glück auf viel flacherer Strecke.
Bald werden wir für unsere Qualen belohnt: Vor uns tut sich ein grandioser Blick auf die Valojettürme des Rosengartens auf. Beeindruckt von dieser Schönheit durchfahren wir den Ort Sankt Zyprian und treffen schon wieder auf eine Rampe mit gut 20%. Nach dieser erneuten Härteprüfung beginnt die Strecke bald wieder „abzuflachen“. Nach den bisherigen Kilometern erscheinen uns schon 10% ziemlich flach.
Über mehrere Serpentinen geht es weiter bergan und endlich erreichen wir das Passschild „Passo Nigra“. Unglaublich, geschafft. Ein Beweisfoto, das leider etwas verwackelt ausfällt ob der zittrigen Hände. Bald haben wir uns aber erholt und es geht noch ein paar Höhenmeter weiter bergauf, bis zur Tschirner Hütte. Dort haben wir tatsächlich den höchsten Punkt der Strecke erreicht und es geht endlich leicht bergab zur Karerstraße.
Dort folgen wir dem Schild Richtung „Karerpass“. Diesen bekommen wir jetzt fast geschenkt, denn es geht nur knappe 500 Meter locker bergauf.
Am Karerpass gönnen wir uns eine längere Pause und resümieren: Der Niger ist unglaublich. Man muss ihn gefahren sein, um zu erahnen, welche Herausforderung er darstellt. Doch dafür bietet er unvergessliche Ausblicke und die Gewissheit, einen der wohl härtesten Pässe der Alpen bezwungen zu haben. Wir kommen ganz bestimmt wieder ;-)
Links